Jean Barraqué

*  17. Januar 1928

†  17. August 1973

von Heribert Henrich

Essay

Das Serialismusverständnis, das der Musik Barraqués zugrundeliegt, ist nicht auf Durchrationalisierung und Objektivierung der musikalischen Konstruktion gerichtet, sondern auf ein Moment der Transgression: Die durch Prädeterminierung bewirkten Automatismen sollen jeden Sprachcharakter der Musik zerstören, um – durchaus im Sinne der Surrealismustheorie André Bretons – zum Sprechen zu bringen, was jenseits der Sprache ist, und so ungeahnte Erkenntnisschichten zu erschließen. Wie in der „écriture automatique“ die Worte, der Alltagsinhalte entkleidet, auf der Grundlage phonetischer Affinitäten zueinander in Beziehung treten, so sollen die Elemente der Musik, von ihren äußerlichen Ausdrucksintentionen befreit, in einzig aus ihren Eigenschaften begründeter Konstellation selbst Ausdruck sein. Dies sprachkritische, jede traditionelle Syntax und Semantik, gleichwohl nicht die Kategorie des Ausdrucks negierende Moment ist sicher nicht zuletzt vor dem Hintergrund der geschichtlichen Katastrophe zu sehen, die die serielle Komponistengeneration in ihrer Jugend geprägt hatte; legitim schien ihr einzig noch der radikale Anschlag auf die mit der politischen Vergangenheit kompromittierten Ausdrucksweisen der musikalischen Vergangenheit, an die das Nachkriegsmusikleben doch bruchlos anzuschließen sich anschickte.

*

Sonate für Klavier (1950/52), von Barraqués gültigen Werken das erstvollendete, verkörpert schlechthin die Auseinandersetzung des Komponisten mit der seinerzeit besonders virulenten seriellen Idee. Zwar komponierte Barraqué ...